Lucky Punch

Noch einmal Liebe, noch einmal Leben.

Wo immer du hingehst: der Himmel hat dieselbe Farbe.

( Aus Persien )

 

Story and Screenplay by Claus von Lengerke

copyright © Claus von Lengerke

 

 

 

La Gomera, Februar 2017

 

1. AUSSEN - ABEND - AUF EINEM GRACHTENBOOT

Nobles Viertel außerhalb Amsterdams. Das Boot ist spärlich besucht. Henk (73), sein Sohn Fred, seine Schwiegertochter Annika an Bord. Henk steht abseits da, ist ganz in sich versunken, zählt die Rettungsringe und auch die Möwen, die so laut schreien, weil der Seewind ihre akrobatischen

Kunststücke heute besonders unterstützt. Es ist Ende Februar, ein für die Jahreszeit extrem warmer und klarer Tag, der straffe Wind hat die letzten Wolkenfetzen davon gefegt. Die Sonne geht langsam blutrot unter.

 

 

2. INNEN - ABEND - ALTERSHEIM

Chic eingerichtetes Zimmer, Marmorboden, ganz leichte Vorhänge, der Blick geht auf einen Balkon und weiter in einen Park mit alten Bäumen. Auch die Einrichtung ist leicht und licht, wenige Möbel, alles nobel. Charlotte (63) ist bemüht, einem verwirrten alten Mann liebevoll dabei behilflich zu sein, seine Beinkleider anzuziehen.

 

CHARLOTTE

Sooo...hier ist der Einstieg...erst mit dem Linken...und jetzt mit dem Rechten. Na also...geht doch!

(Lacht,dann etwas lauter) War heute ein schöner Tag...der Frühling kommt...Sie sollten ein

wenig mehr an die frische Luft. Mit einem dicken Schal und warmer Jacke geht das schon.

(Zieht die Vorhänge ganz zur Seite und öffnet ganz weit die Balkontür)

Ich hab leider keine Zeit, Herr Mulder, sonst würde ich Sie öfter begleiten. Täte mir auch gut, ein

wenig Frühlingsluft zu schnuppern.

Vielleicht das nächste mal...

 

 

3. AUSSEN - ABEND - PARK -

Annika hat sich an die Seite von Henk begeben, die Schritte von Henk sind schwer und zögerlich, trotzdem so schnell, als wollte er die kommende Sache rasch hinter sich bringen. Annika redet auf ihn ein. Fred hält Abstand.

 

 

2. ANNIKA

Ist das nicht praktisch, Dad? Von hier aus kommst Du überall hin... von morgens bis abends...

(Dreht sich zurück)

Was meinst Du Fred?... (Nach einer peinlichen Pause)

 

ANNIKA (CONT’D)

Nun sei doch nicht so stur, Henk. Wir meinen´s doch nur gut mit Dir...

Glaub mir...Sieh Dir das Haus doch wenigstens erst mal an. Vielleicht gefällt Dir ja doch der Gedanke...vielleicht auch erst in ein paar Tagen oder Wochen...lass das Ganze doch einfach mal auf Dich wirken...ich weiß...ich kann mir denken...Mir ginge es wahrscheinlich genauso...komm Henk...

(Versucht ihn etwas zögerlich in den Arm zu nehmen)

Es wird schon...es wird schon alles werden...wir gucken einfach mal...

 

 

4. INNEN - ABEND - ALTERSHEIM

Empfang eines mondän eingerichteten Altersheims. Elegante Ledergarnitur, schwungvolle hölzerne Theke, Computer und unter einer Glasplatte fein säuberlich sortiert die Namen der Bewohner samt Zimmernummer und Telefon, ganz leicht neu zu sortieren oder auszutauschen. Fred hat auf der Garnitur Platz genommen. Annika wartet ungeduldig mit den Fingern auf die Theke schnippend auf die Empfangsdame. Henk scannt mit einer Hand die Schilder von links nach rechts, blitzschnell hat er

die Anzahl im Kopf.

 

HENK

(Murmelt vor sich hin)

Genau Fünfzig... Donnerwetter...

 

ANNIKA

(Dreht sich zu Henk um)

Was hast Du gesagt? Was ist mit dem Wetter? Na, kommt hier vielleicht mal jemand!

(MORE)

Kannst Du mal klingeln, Dad. Wir hatten schließlich einen Termin. (Schaut hastig auf ihre Uhr)

In dem Moment geht eine Schwingtüre auf und Charlotte schiebt einen Teewagen durch die Tür. Sie ist angespannt, aber versucht zu lächeln.

 

CHARLOTTE

Es muss jeden Moment jemand kommen. Ich kann auch noch mal Bescheid geben...

Ihre gütigen Augen treffen für Sekunden die von Henk. Dann rollt Charlotte mit dem Teewagen davon.

 

ANNIKA

Dad, lass mich mal reden. Fragen kannst Du ja später stellen. - Mein erster Eindruck ist phantastisch -

oder Fred? Das wär´ auch was für mich, später mal. Könnt ich mir gut vorstellen...

Da geht die Tür wieder automatisch auf und eine herrisch dreinblickende aber äußerst sympathisch wirkende und sehr attraktive Frau mittleren Alters betritt den Raum.

 

CHRISSY LEUWEN

Entschuldigung für´s Warten. Sind Sie Familie van Hoef? Mein Name ist Chrissy Leuwen, wir hatten zusammen telefoniert. Ich leite hier unsere “Residenz”, allerdings auch erst seit vier Jahren.

 

ANNIKA

Angenehm. Ja, wir hatten zusammen gesprochen. Mein Name ist Annika van Hoef, das ist mein Mann Fred und das sein Vater Henk van Hoef, die Hauptperson hier, um die es geht. Ich hatte Ihnen die Situation ja schon angedeutet...also heute wollten wir - d.h. Herr van Hoef wollte...na ja... erst mal einen

ersten Eindruck bekommen. Und der ist beeindruckend, für mich auf jeden Fall - oder Fred? Bei meinem Schwiegervater bin ich mir noch nicht so sicher.

 

ANNIKA (CONT'D)

Für ihn kommt alles so plötzlich, wissen Sie, alles auf einmal. Da braucht man natürlich mehr Zeit.

 

CHRISSY LEUWEN

Das kann ich gut verstehen. Das ist ja auch immer ein Lebensabschnitt. In Ihrem Fall ja noch ein besonderer. Wenn Sie wollen zeige ich Ihnen gerne die ganze Anlage samt dazu gehörigem zweiten Trakt. Erlaubt das Ihre Zeit?

 

ANNIKA

Gerne. Wenn wir später Fragen haben, können wir ja noch mal unter vier Augen alle Einzelheiten in

Ruhe besprechen. Ist das mit der Besichtigung für Euch beide o.k.? Für Dich auch Henk?

 

CHRISSY LEUWEN

(Beugt sich freundlich zu Henk)

Kommen Sie ruhig...ich beiße nicht...

 

 

5. INNEN - NACHT - BORDELL

Luxus pur. Gelackte weinrote Wände, mit Gold bemalte Fresken, erotische indische Malereien, mit Blumen liebevoll geschmückte goldene Buddhas und Hindu Götter, indisch lang gewandete schlanke große Frauen als Service.

Luxus Suite. Außer einem riesigen zerwühlten Bett steht zimmerbeherrschend eine runde Marmor Badewanne im Raum, das Wasser läuft ab. Charlotte fischt noch ein paar Rosenblätter heraus, räumt Champagnerflaschen und Gläser zusammen und trägt liebevoll einem Mädchen ein paar intime Wäscheteile nach.

Vor einem großen Spiegel steht eine sehr junge Frau mit einem Seidenkimono bekleidet und richtet ihre etwas zerzauste Frisur. Charlotte dreht sich ganz freundlich zu ihr.

 

CHARLOTTE

Hier...vergessen Sie Ihre Sachen nicht.

 

LENA

(mit leichtem slawischem Akzent, etwas beschwipst)

Danke. Aber das sind Jana´s Sachen.

 

ANNIKA (CONT'D)

 

CHARLOTTE

Morgen soll wieder ein schöner Tag werden. Es liegt schon etwas Frühling in der Luft. Man sollte

ruhig schon mal ans Meer fahren...

 

LENA

Die Tage verschlafe ich meistens. Außer ich hab´ frei. Dann mach´ ich etwas Schönes...Stimmt...Man sollte etwas Schönes machen...außer immer nur hier zu arbeiten. Es gefällt mir hier...aber... sind da noch saubere Gläser...und ist da noch Champagner? Trinkst Du auch einen Schluck?

 

CHARLOTTE

(reicht ihr ein sauberes Glas und prüft die Flasche aus dem Kühler)

Hier...da ist noch genug drin. Für mich bitte nicht...nicht während der Arbeit...

 

LENA

(gießt sich etwas ein und prostet Charlotte zu)

Prost...ich heiße Lena...

 

CHARLOTTE

(hebt ihre Hand zum Prost ohne Glas)

Prost...ich heiße Charlotte.

 

LENA

Ich hab Dich erst ein paar mal hier gesehen...Bleibst Du jetzt länger?

 

CHARLOTTE

Ich hoffe. Es gefällt mir gut hier... Besser als in meiner anderen Stelle, wo ich tagsüber arbeite. Ich mag Euch...ja es gefällt mir...Bist Du schon lange hier, Lena?

 

LENA

In Amsterdam schon...aber hier...erst ganz kurz...ich kann hier gutes Geld verdienen...mal sehen wie lange noch...weißt Du manchmal ist es besser nur kurz irgendwo zu sein...aber hier...

(MORE)

könnte ich es länger aushalten... Prost noch mal...Du bist nett...

 

CHARLOTTE

Danke...Du auch...

 

 

6. INNEN - ABEND - FRED & ANNIKA´S KÜCHE

Großzügige moderne offene Küche mit Panoramablick durch eine gemütlich dekorierte Fensterreihe auf einen gepflegten Vorgarten, davor eine stille kleine Straße. Ein besseres Viertel.

Fred und Annika bereiten ein Essen vor, sie erwarten augenscheinlich ein paar Gäste. Sie liegen in den letzten Zügen, Annika ist mit dem Salat beschäftigt, Fred mit dem Öffnen einiger Rotwein Flaschen. Es sieht nach einem gekonnten Essen aus, Routine, keine Hektik. Sie sind in ihrem Element.

 

ANNIKA

Fred, Schatz, guckst Du auch mal, ob wir genügend Gläser haben...auch für den Aperitiv?

Fred nimmt schon mal einen Probierschluck, lässt ihn genüsslich im Mund kreisen und ist mit dem Getränk sichtlich zufrieden. Für diesen Moment gut gelaunt haut er Annika einen übermütigen Klaps auf ihren prallen Po, der aus der Schürze herausragt.

 

ANNIKA (CONT’D)

Na!!

 

FRED

Schatz - vergiss nicht die Schürze nachher abzulegen...sie steht Dir gut...

 

ANNIKA

Und Du vergiss nicht unser Tabu Thema. Nichts über Henk. Auch wenn Du gefragt wirst...bieg einfach das Thema ab...irgendwie...wir wollen ja einen friedlichen Abend und nicht immer dasselbe Thema...

 

FRED

...Obwohl wir noch darüber reden müssen...ganz wohl ist mir bei der Sache noch lange nicht...

 

LENA (CONT'D)

 

ANNIKA

...Bei welcher Sache genau? Reichst Du mir mal eben das Olivenöl...

 

FRED

Na generell mit Dad...das ist noch lange nicht gelöst. Hast Du nicht gesehen wie wenig Henk gesagt hat? Er war sprachlos...einfach erschrocken...

 

ANNIKA

Garnichts hat er gesagt...kein Wort...kein Sterbenswort... Was heißt da erschrocken?...

 

FRED

Ja...erschrocken...was wir mit ihm vorhaben...ihn abschieben...beiseite schieben...aus dem Weg haben

wollen...

 

ANNIKA

Das bildest Du Dir alles nur ein! Ich habe vorher zu Henk gesagt, er solle mir das Fragen überlassen...

 

FRED

Annika...Du weißt doch ganz genau wie Dad auf Deine dominante Art reagiert. Er will einfach nicht...und eigentlich will ich auch nicht...

 

ANNIKA

Wie stellst Du Dir das bitteschön vor? Aber wir wollten ja das Thema nicht schon wieder.... In dem Moment kommen die ersten Gäste mit dem Taxi vorgefahren. Annika bindet sich ihre Schürze ab und beordert Fred an die Haustüre.