Das Buch zum Drehbuch.

Mal anders herum.

Diesmal existiert zuerst ein Drehbuch und dann folgt das Buch dazu.

Das ist kein kreativer Einfall, sondern einfach eine Folge. Mein Spielfilm-Drehbuch-Debut „LUCKY PUNCH“ war ein ehrgeiziges Projekt von mir. Die Grundidee hatte ich schon viele Jahre lang, auch die Idee, ein Drehbuch zu schreiben, war schon lange in meinem Kopf. Dass ich dann sie Story komplett auch mit Dialogen ausformuliert habe, war dem Umstand geschuldet, dass man als Debütant nachweisen muss, dass man überhaupt schreiben kann. Dass man eine Story dramaturgisch so hinbekommt, dass es nicht nur Anfang und Ende hat, sondern auch an der richtigen Stelle die Plots setzt. Und, nochmal, dass man überhaupt Dialoge schreiben kann. Das kann ich. Auch die Dramaturgie gelang mir. Ich habe mich da ganz nach amerikanischen Vorbildern ausgerichtet. Natürlich kann ich Vieles besser machen, auch die Dialoge straffen, aber das ist ja auch erst meine erste Version. Was ich dann nicht konnte, war, die fertigen Story zu verkaufen. Ich habe einfach kein Netzwerk, keine Gönner. Aber die Story selbst hat sich für mich vom Thema her so positiv entwickelt, dass ich sie jetzt auch anders erzählen will, als Prosa. Eins zu eins, wie im Drehbuch. Aber als Roman. Damit ich so Menschen erreichen kann, die gerne gute Geschichten lesen, auch von einem Autor geschrieben, von dem sie noch nie etwas gelesen haben. Wenn darunter dann ein Regisseur oder ein Produzent sein sollte, der sich für den Stoff brennend interessiert, umso besser. Ich freue mich darauf, meine Figuren noch einmal in einem Roman auferstehen zu lassen. Sie wieder lebendig zu sehen. Meine intimen Freunde zu werden. Darauf freue ich mich wirklich.

 

Hier kann man schon mal die ersten beiden Szenen lesen. Damit man schon mal ein Gefühl für die Sprache bekommt.

Viel Spaß beim Lesen.



Noch einmal Liebe, noch einmal Leben.

ZUM GLÜCK

Roman

26. Februar 18:00

Das Lachen war heute so laut, dass man seine eigenen Gedanken nicht mehr denken konnte. Ganz zu schweigen vom Zählen, das ging erst recht nicht. Die Möwen waren so ausgelassen, so lufttrunken, dass sie immer wieder zum Sturzflug ansetzten und Henk einen dicken Strich durch seine Rechnung machten. Obwohl er sonst fast gar nicht zählen musste. Er sah die Anzahl auf einen Blick. Wie ein Schnellleser eine Seite sieht. Im Ganzen. Aber heute gelang ihm das nicht. Bei ungefähr 27 kam er immer wieder durcheinander. Da waren die Anzahl der Rettungsringe noch ein Leichtes für ihn gewesen. Vielleicht gelang ihm das ja eine Luftetage tiefer. Da war das Vogelfeld der spitzen Schreie. Derer, die mit geöffneten Schnäbeln sausend ihre Abendmahlzeit genossen. Aber das waren selbst für Henk zu viele. Und obwohl sie keine Sturzflüge machten, zählte oder erblickte er mindestens achtzig oder neunzig. Auf jeden Fall zu viele.

 

Beim dritten Ansatz konzentrierte er sich lieber auf die Sonne, die sich immer wieder hinter den Wolkenfetzen versteckte, aber schon andeutete, dass sie sich später von ihrer besten, glutroten Seite zeigen würde. Das konnte man jetzt schon sehen, obwohl es bestimmt noch eine halbe Stunde dauern würde.

 

Er blickte immer noch zum Himmel und lauschte den Geräuschen. Das Lachen war bestimmt kein Auslachen, eher ein mitfühlendes Lachen. Auch ihm war eher zum Lachen zumute, Weinen hätte die Situation nur verschlimmert und nichts geändert. Er hatte immer noch den Geschmack des gestrigen Abends im Mund, fahl und ekelhaft. Es ging um ihn, aber er hatte nichts zu sagen. Oder er wollte nicht. Er war viel zu verstört von dem Geschreie und den ekelhaften Argumenten seiner Schwiegertochter Annika. Deshalb heute diese Friedensmission. Eigentlich nur für Fred. Sein Sohn sollte Frieden haben und Henk zeigte seinen guten Willen. Er hoffte, dass der Ausflug möglichst bald vorbei war.

 

Es schepperte leicht. Taue knallten mit nassem Klatschen ans Ufer und wurden von flinken Händen gegriffen und schnell und gekonnt vertäut. Sie waren da.

 

 

26. Februar 18:00

Kraftvoll und fast schon energiegeladen zog Charlotte die Übervorhänge auseinander. Plötzlich kam Licht ins dunkle Zimmer, das eigentlich herrlich hell eingerichtet war. Fast weißer Marmorboden, geschmackvolle cremefarbene Sofagarnitur, ein Glastisch auf schwarzen Gummirädern. Fürstlich und geradezu modern eingerichtet für eine „Residenz“, in der ältere Menschen ihren Lebensabend verbringen.

 

Aber es war auch ein sehr nobles Haus, das man sich auch leisten können musste. Wobei Charlotte nicht viel davon hatte. Sie wurde normal bezahlt, eher dürftig. Zumal, wenn man den Druck berücksichtigte, den sie auszuhalten hatte, besonders den Zeitdruck. Sie überlegte, ob sie hier nicht ganz aufhören sollte. Man hatte ihr vor ein paar Tagen zwar angeboten, ganztags zu arbeiten. Aber das kam für sie erst recht nicht infrage. Ein halber Tag war mehr als genug. Diesen Druck würde sie weder körperlich noch seelisch aushalten. Dann doch lieber ganz aufhören und sich noch eine zweite Stelle suchen, so angenehm wie ihre Abendtätigkeit. Sie fragte sich sowieso in letzter Zeit öfter wie lange sie das überhaupt noch aushalten würde. Ihr Leben bestand jetzt eigentlich nur noch aus Arbeiten und Schlafen. Aber sie brauchte den vielen Schlaf, weil sie sonst ganz zusammenbrechen würde. Und noch mehr brauchte sie das Geld. Das war das eigentlich Traurige.

 

Das Leben war in letzter Zeit immer schwerer geworden, kaum noch zu tragen. Dabei war sie in jungen Jahren so heiter, so lebenshungrig und so voller Energie gewesen. Aber die letzten Jahre waren einfach zu viel für sie. Viel zu viel. Jetzt war sie leer und ausgepumpt.

 

„Warten Sie Herr Mulder, ich helfe Ihnen.“ Das fehlte noch, dass ihr während ihres Dienstes einem ihrer Anvertrauten etwas zustoßen würde. Herr Mulder war einer ihrer Liebsten, immer fröhlich, immer zu kleinen Späßen aufgelegt, manchmal sogar mit kleinen frechen Anspielungen gespickt, aber immer liebenswert. Nur körperlich war er mit seinen 86 Jahren schon sehr aufgebraucht. Das Gleichgewicht machte ihm am meisten zu schaffen. So dass seine Bewegungen eher immer etwas ungeschickt aussahen, so wie ein kleines Kind, das noch etwas unsicher auf den Beinen ist. „ Sooo, hier ist der Einstieg...langsam, erst mit dem Linken, dann mit dem Rechten. Halten Sie sich ruhig bei mir fest. Sehen Sie...geht doch.“ „ Ohne Sie Frau Bakker liefe gar nichts, höchstens meine Nase. ....Guter Scherz oder?“ „ Sie scherzen oft. Das gefällt mir.“

 

 

© Claus von Lengerke